Am 19.04.23 veranstaltete unser Bündnis eine Podiumsdiskussion mit Parteien zur Kommunalwahl in der Pumpe.
Andreas Meyer, vom Bündnis eröffnete die Runde mit folgenden Worten:
50 Prozent sozialer Wohnungsbau bei Neubauprojekten in Kiel!
Blickt man auf die Kieler Wohnungspolitik, so offenbart sich ein sozialpolitisches Desaster.
Es reicht von einem großen Mangel an bezahlbaren Wohnungen über ständig steigende Mieten bis hin zu derzeit über 2000 Menschen ohne Wohnung.
Es fehlten nach einer Studie der Böckler Stiftung schon 2018 für 24 000 Haushalte Wohnungen,
die mit einem weniger als mittleren Einkommen bezahlbar waren.An dieser Zahl sich hat trotz der regen Bautätigkeit in der Innenstadt bis heute nichts wesentlich verändert.
Denn die schicken Neubauprojekte am Schloss, an der Hörn und der alten Feuerwache sind nichts für das Portemonnaie von Durchschnittsverdiener*innen.
Laut einer Recherche des NDR waren 2018 nur 2 Prozent aller in Kiel seit 2000 neu gebauten Wohnungen mit einem Durchschnittseinkommen bezahlbar. Auch daran dürfte sich bis heute insgesamt nichts wesentlich verändert haben; obwohl es immer wieder Vorzeigeprojekte gibt, die einen anderen Eindruck vermitteln sollen.
Darüber hinaus haben ständige Mietpreissteigerungen für weite Teile der Bevölkerung bezahlbaren Wohnraum deutlich verknappt. Das gilt besonders für Neuvermietungen.
Nach dem Mietspiegel der Stadt Kiel von 2023 haben sich in den vergangenen vier Jahren allein die Bestandsmieten durchschnittlich um 15 Prozent erhöht.
Bei Neuvermietungen sieht es noch viel dramatischer aus. Diese Entwicklung steht in einem krassen Gegensatz zu der der durchschnittlichen Einkommensentwicklung.
Wenn sich heute eine vierköpfige Familie auf die Suche nach einer neuen Wohnung in der Kieler Innenstadt macht, so ist es fast ausgeschlossen, dass sie bei einem Durchschnittseinkommen überhaupt eine bezahlbare Wohnung findet. Ebenso schlimm sieht es für Einzelpersonen und Paare aus.
Aufgrund dieser Mietpreisentwicklung sind viele Familien daher gezwungen, in den Außenbereich der Stadt oder in Umlandgemeinden ausweichen. Infolge dieser Abwanderung steigen auch dort die Preise.
Besonders dramatisch ist der Mangel im Bereich der sozialen Wohnungen. So schrumpfte der Bestand in Kiel allein zwischen 2005 und heute von 16 Prozent auf 4,3 Prozent.
Diese Entwicklung muss man vor dem Hintergrund sehen, dass rund 40 Prozent der Kieler Haushalte ein Anrecht auf einen Wohnberechtigungsschein hätten. Damit können die meisten jedoch nichts anfangen, weil es dafür auf dem Markt keinen ausreichenden Wohnraum gibt.
Der eklatante Mangel an bezahlbaren Wohnungen für Menschen, die mit durchschnittlichen oder unterdurchschnittlichen Einkommen eine Wohnung suchen, kann daher nur behoben werden, wenn in Kiel in einem erheblichen Ausmaß Sozialwohnungen über den ersten und zweiten Förderweg entstehen.
Ein wesentliches Instrument für die Bestandserhöhung des sozialen Wohnungsbaus ist die Quotierung im Bebauungsplan bei der Erstellung von Neubauprojekten.
In dieser Bebauungsplanungen kann die Kommune vorgeben, zu welchem Anteil die Investoren soziale Wohnungen bauen müssen. Das gilt auch für den Bau auf privaten Grundstücken. Ein Investor, der sich nicht an die Quote hält, bekommt keine Baugenehmigung, So sollte es jedenfalls sein.
Nach langem Drängen vom Mieterverein, dem Bündnis für bezahlbaren Wohnraum, dem DGB und dem SoVD beschloss der Rat der Stadt Kiel 2018 eine solche Quote von 30 Prozent.
Obwohl diese Quote bei weitem nicht reicht und sehr spät kam, wurde sie in etlichen Fällen nicht einmal eingehalten.
Vor dem Hintergrund dieser Verhältnisse ist es zwingend nötig, mindestens bei Neubauprojekten die Quote für Sozialwohnungen, die über den ersten und zweiten Förderweg gefördert werden, auf 50 Prozent zu erhöhen.
Bei dem zweiten Förderweg beträgt die Einkommensgrenze bei einer Person 2040,-€ und der geförderte Mietpreis maximal 8,-€ pro qm
Berücksichtigt man, dass in der Bundesrepublik 2022 das mittlere Nettoeinkommen 2040,-€ betrug, so kämen auch für Menschen mit mittlerem Einkommen geförderte Wohnungen infrage.
Das heißt also, dass bei 50 Prozent sozialem Wohnungsbau in einem Quartier 50 Prozent mit einem geringem und mittleren Einkommen leben.
Das würde wahrscheinlich auch die Sozialstruktur der Stadt Kiel widerspiegeln.
Einen Stadtteil mit überwiegend hochpreisigen Mieten und einen hohen Anteil an Eigentumswohnungen halten wir daher für völlig inakzeptabel.
Ein wesentlicher aktueller Einwand gegen diese Forderung besteht in dem Hinweis, dass Bauen inzwischen so teuer geworden ist, dass bezahlbarer Wohnraum nicht kostendeckend erstellt werden kann.
Mit diesem Hinweis können wir uns nicht abspeisen lassen, denn das würde bedeuten, dass wir akzeptieren, dass zukünftig nur noch für Menschen mit hohem Einkommen Wohnungen gebaut werden. Solange die Verhältnisse auf dem Wohnungsmarkt so sind, wie sie sind, muss über die Erhöhung der Fördermittel sowie dem Ausbau kommunaler und gemeinnütziger Wohnungsgesellschaften ein erheblicher Ausbau sozialer Wohnungen ermöglicht werden.
Inzwischen gibt es etliche Städte, die in ihren Neubauprojekten eine 50 Prozentquote vorsehen.
Dazu gehören Münster, Freiburg, Norderstedt in Hamburg in Stellingen.
Besonders interessant ist München mit seiner neuen sozialen Baunutzung.
Das Münchner Grundmodell sieht die folgende Mischung vor:
60 Prozent geförderter und preisgebundener Wohnraum
20 Prozent freifinanzierter Mietwohnungsbau
20 Prozent freifinanzierte Eigentumswohnungen
Der übliche Hinweis, dass Investoren nur an einem hochpreisigen Wohnungsbau interessiert seien, oder auch von manchen Kommunalpolitikern, dass bei solchen Auflagen praktisch kein Wohnungsbau mehr stattfände, wird faktisch von vielen Bauprojekten widerlegt.
Bei Ausnutzung der staatlichen Fördermittel, deren Erhöhung allerdings dringend erforderlich ist, und bei Auswahl geeigneter Investoren, wie Genossenschaften und kommunalen Wohnungsgesellschaften, sind solche Projekte nachweislich realisierbar.
Dazu wäre in Kiel allerdings eine finanziell und organisatorisch schlagkräftige KiWoG mit einem Wohnungsbestand von perspektivisch rund 15000 Wohnungen eine gute Voraussetzung.
Besonders geeignet für eine 50 Prozentquote ist in Kiel das Großprojekt Holtenau Ost.
Hier sollen auf städtischem Grund 18 000 Wohnungen oder mehr entstehen.
Das Projekt befindet sich noch in der Planungsphase und mit einem Baubeginn wird frühestens ab 2025 gerechnet.
Das bedeutet, es ist der richtige Zeitpunkt, durch öffentlichen politischen Druck auf die Planung dieses Projekts Einfluss zu nehmen und Investoren zu suchen, die ein 50 Prozent Quote zusichern.
In Holtenau Ost besteht die Chance, den bisherigen Kurs der Stadt in der Wohnungspolitik zu verlassen und sich an Städten zu orientieren, die im sozialen Wohnungsbau weiter sind.
Es ist dringend notwendig, dass die Stadt Kiel einen sozial gerechteren Weg in ihrer Wohnungsbaupolitik einschlägt.
Unter diesem Aspekt sollte man sich auch genau die Parteiprogramme zu den bevorstehenden Kommunalwahlen anschauen. Dazu haben wir jetzt die Gelegenheit.
Darüber hinaus fordert unser Bündnis:
Deckelung der der Mieten durch die Einführung einer Mietobergrenze . Eine solche Regelung müsste allerdings erst durch eine neue Bundesgesetzgebung den Ländern und Kommunen ermöglicht werden .
Realistische Anpassung der Mietobergrenze für LAG II Bezieher*innen an die reale Mietpreisentwicklung. Das bedeutet auch die Übernahme der Mietsteigerung .
Beseitigung der Wohnungslosigkeit durch das “Firstlüftung“- Konzept. Das sieht den Anspruch jedes/jeder Wohnungslosen auf eine eigene Wohnung vor, denn eine eigene Wohnung ist die Voraussetzung für ein menschenwürdiges Leben. Daher muss die Sicherung einer Wohnung voraussetzungslos sein.
Wohnungsbauflächen von Bund, Ländern und Gemeinden dürfen nur noch an öffentlich Bauträger vergeben werden. Für gemeinnützige Wohnungsgesellschaften oder alternative Bau- und Wohnprojekte sollte öffentliches Bauland in Erbpachtverfahren möglich sein.
Wie wir gesehen haben, hat die Wohnungspolitik der Stadt Kiel in den letzten Jahrzehnten völlig versagt. Der Wohnungsbau wurde in dieser Zeit vorwiegend an den Interessen privater Investoren ausgerichtet und nicht an den Bedürfnissen der überwiegenden Mehrheit der Stadtgesellschaft.
Natürlich gab es die hier beschriebene Entwicklung auch in anderen Städten, besonders in den Metropolen. Das macht die Sache nicht besser. Im Gegenteil.
Aus den Erfahrungen mit der bundesweit unsozialen Wohnungspolitik haben sich überall Mieterorganisationen, Bündnisse und Organisationen gebildet, die gegen die Wohnungsnot kämpfen. Solche Ansätze gibt es auch hier in Kiel.
Dazu gehören die Mieterversammlungen gegen die Geschäftspolitik von Monrovia , der aktuelle Protest gegen die Politik der LEG, Auftritte in der Ratsversammlung, Kundgebungen und Demonstrationen zur Kieler Wohnungspolitik. Dazu sollte auch eine Kampagne zu 50 Prozent Sozialer Wohnungsbau in Kiel gehören.
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