Es wird Fusion oder Hochzeit genannt, was die beiden größten Immobilienkonzerne vorhaben. Tatsächlich ist es eine Übernahme zur Ausschaltung eines Konkurrenten zu einem Preis, den die Mieter*innen von Vonovia zahlen müssen. 18 Milliarden lässt sich Vonovia das kosten. Der den Aktionären von Deutsche Wohnen gebotene Preis liegt um 18 % höher als der Ende letzter Woche geltende Schlusskurs von 44,99 € pro Aktie.
Vor 5 Jahren war das Vorhaben am Widerstand des Vorstands und der Aktionäre von Deutsche Wohnen gescheitert, der gebotene Preis von 14 Milliarden reichte offensichtlich nicht. Nun hat man Einvernehmen erzielt, der bisherige Deutsche Wohnen-Chef Nichael Zahn soll Stellvertreter des Vonovia-Chefs Rolf Buch werden, der Deutsche-Wohnen-Finanzvorstand Philipp Grosse übernimmt den gleichen Posten bei Vonovia, mehr Geld wird den Aktionären geboten, dann läuft die Sache rund.
Es geht um gut 150.000 Wohnungen, die Vonovia übernimmt, 113.000 davon liegen im Großraum Berlin, dort hat Vonovia bisher ‚nur’ 43.000 Wohnungen (von mehr als 400.000 bundesweit).
Zur Realisierung des langjährigen Vorhabens hat beigetragen, dass das Bundesverfassungsgericht Mitte April 2021 den „Mietendeckel“ gekippt hat, die Immobilienbranche hat aufgeatmet und wähnt sich jetzt wieder in Sicherheit, die Rendite ungestört steigern zu können.
Und sicher spielt auch die Absicht, das Volksbegehren Deutsche Wohnen und Co. enteignen, eine zentrale Rolle in dem Vorgang.
Die Berliner SPD hat sich einwickeln lassen durch den sog. ‚Zukunfts- und Sozialpakt Wohnen’, der ua beinhaltet, dass der neue Gigant verkündet, künftig das geltende Mietrecht einhalten zu wollen (begrenzte Mietsteigerungen und reduzierte Umlage der Modernisierungskosten auf die Mieter*innen), außerdem bietet er dem Stadtstaat Berlin an, 20.000 Wohnungen zu kaufen zu einem Preis, der bisher nicht bekannt gegeben wurde. Es soll sich um Wohnungen handeln, die in Sozialwohnungen außerhalb des Innenstadtrings von Berlin liegen und damit nicht zu den für den Konzern lukrativsten gehören. Es dürfte zudem auf der Hand liegen, dass Vonovia den Weiterverkauf nicht bezuschussen, sondern auch daran verdienen wird.
Die Gelegenheit ist günstig, die Angebote an Wohnungen in Deutschland sind spärlich und teurer geworden, sodass Vonovia sich zuletzt im Ausland (Frankreich, Skandinavien) umtun musste, um expandieren zu können.
Ein starkes Motiv für Vonovia, die Wohnungen von der Deutsche Wohnen zu übernehmen, liegt darin, dass diese für Wartung und Handwerkerleistungen bisher Fremdfirmen beauftragt hat, während Vonovia diese Tätigkeiten mit ca. 500 eigenen Unterfirmen vornimmt und dabei über Nebenkostenabrechnungen fast soviel Gewinn erwirtschaftet wie mit den Kaltmieten. Das bedeutet für die Mieter*innen, dass der bisher schon extrem schlechte Service noch schlechter werden wird, Vonovia erhofft sich von dem ‚Zusammenschluss’ vor allem bei der Bewirtschaftung der Wohnungen Einsparungen von 105 Millionen Euro.
Auch die vollmundige Ankündigung des neuen Großkonzerns, 13.000 Wohnungen zu bauen, wann auch immer, kann man glauben oder auch nicht. Bisher haben jedenfalls weder Vonovia noch Deutsche Wohnen Neubau geliefert.
Dafür hat Deutschlands größter Immobilienkonzern Vonovia zu Beginn des Jahres 2021 auch wegen höherer Mieteinnahmen seinen Gewinn kräftig gesteigert. Im ersten Quartal 2021 legte der operative Ertrag im Jahresvergleich um 14,1 Prozent auf etwa 383 Millionen Euro zu. Unter dem Strich blieb nach Angaben des Unternehmens ein Gewinn von 247 Millionen Euro übrig.
Deprimierende Aussichten auch für Vonovia-Mieter*innen in Kiel, unabhängig davon, dass die Kieler Wohnungen der Deutsche Wohnen schon vor Jahren anderweitig verkauft wurden. Denn um die Renditeerwartungen der Vonovia-Aktionäre zu erfüllen, werden auch sie ihren Beitrag leisten müssen.
Da nützt es dann auch nichts, wenn Vonovia in Kiel dem TuS Gaarden ganze 5.000 € „zur freien Verfügung“ spendet, ob sein angekratztes Image aufzupolieren.
Spannender bleibt die Frage, ob die Mieter*innen der 3.000 Vonovia-Wohnungen in Gaarden, in denen zurzeit zum Teil umfangreiche Modernisierungen vorgenommen werden, tatsächlich „in den Genuss reduzierter und gedeckelter Zuschläge“ (= Mieterhöhungen) kommen werden und sich damit ihre modernisierten und teureren Wohnungen noch leisten können, wie die KN am 22.05.2021 den Kieler Vonovia-Chef Nils Bartels verkünden lässt.
Wir werden es beobachten.
Weiterführende Informationen/Stellungnahmen (pdf):
Deutscher Mieterbund
Berliner Mieterverein